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Oberlandesgericht Düsseldorf befasst sich mit "Bröselstein-Fall"

OLG Düsseldorf hält Haftung der Fa. Xella International GmbH aufgrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung für möglich - Ansprüche der Geschädigten wegen "Bröselsteine" sind grundsätzlich bis heute nicht verjährt.

(29.04.2013) Wegen Gebäudeschäden durch die sog. "Bröselsteine" hatten zum Ende des Jahres 2011 zahlreiche Haueigentümer gegen die Fa. Xella International GmbH gerichtliche Schritte vor diversen Landgerichten eingeleitet. Bis heute ist in den erstinstanzlichen Klageverfahren auf Zahlung von Schadensersatz noch kein entscheidendes Urteil ergangen, ob und in welchem Umfang die Fa. Xella International GmbH den Geschädigten Schadensersatz zu leisten hat. In diesen Klageverfahren dauern die Beweisaufnahmen noch an. Zum Leittragen der Geschädigten hat die Fa. Xella International GmbH selbst in den gerichtlich anhängigen selbständigen Beweisverfahren versucht, diese zumindest zeitlich zu verzögern.

Oberlandesgericht Düsseldorf befasst sich mit "Bröselstein-Fall"

 Nunmehr musste sich jedoch bereits das Oberlandesgericht Düsseldorf mit diesem "Bröselstein"-Skandal beschäftigen. Eigentlich wäre dieses Oberlandesgericht als den Landgerichten übergeordnetes Gericht erst in der zweiten Instanz zuständig, wenn gegen ein noch zu ergehendes Urteil eines Landgerichts das Rechtsmittel der Berufung eingelegt wird. Die Besonderheit war, dass ein geschädigter Kläger vor dem Landgericht Duisburg für seine Klage gegen die Fa. Xella International GmbH einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat. Dieser Antrag wurde von dem Landgericht mangels Erfolgsaussichten der Klage zurückgewiesen. Dagegen wendete sich der geschädigte Hauseigentümer mit seiner Beschwerde. Dieser hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 29.04.2013 - 5 W 9/13 - abgeholfen. Dem Kläger wurde nunmehr von dem Oberlandesgericht Prozesskostenhilfe für sein nunmehriges Klageverfahren bewilligt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf ist der Auffassung, dass aufgrund der in diesem einen Fall unstreitigen und von dem Kläger dargelegten und unter Beweis gestellten Tatsachen diese konkrete Klage gegen die Fa. Xella International GmbH Aussicht auf Erfolg hat.

Der Kläger könnte gegen die Fa. Xella International GmbH wegen seiner Gebäudeschäden in Folge der "Bröselsteine" einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus § 826 Abs. 1 BGB haben, weil nach dem Oberlandesgericht Düsseldorf der Rechtsvorgänger der Fa. Xella International GmbH, die damalige Fa. Haniel Baustoffwerke GmbH, eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung der Hauseigentümer begangen haben könnte. Aufgrund der bisherigen Aktenlage dieses Falls könnte sich in diesem nunmehr folgenden Klageverfahren vor dem Landgericht Duisburg ergeben, dass die Rechtsvorgängerin der Fa. Xella International GmbH diese Kalksandsteine trotz der damaligen ausdrücklichen Bedenkenhinweise des Bundesverband der Kalksandsteinindustrie aus dem Jahre 1987 auf den Markt gebracht hat, ohne vorher alle technisch notwendigen Prüfungen durchgeführt zu haben, um auszuschließen, dass die Steine ein Schadenspotential in sich bergen. Dann wäre dies ein erhebliches Indiz dafür, dass sich die Verantwortlichen der Rechtsvorgängerin der Fa. Xella International GmbH im Hinblick auf die zu erzielende Kostenersparnis und den damit verbundenen höheren Gewinn bewusst der Erkenntnis einer wegen der nicht ausreichenden Prüfung weiterhin bestehenden Gefahr der Instabilität verschlossen hätten. Dadurch hätten sie eine Schädigung der Kunden bei Verwirklichung dieser Gefahr billigend in Kauf genommen. Dies ist laut dem Oberlandesgericht ausreichend, um den Vorsatz der Geschäftsführung der Rechtsvorgängerin der Fa. Xella International GmbH im Rahmen des Prozesskostenhilfebewilligungsverfahrens schlüssig darzulegen.

Obwohl dieser Beschluss des Oberlandesgericht Düsseldorf für die Geschädigten richtungsweisend sein könnte und die Hoffnung der Geschädigten auf Schadensersatzzahlungen der Fa. Xella International GmbH nährt, müssen sich die Geschädigten bewusst sein, dass diese rechtliche Wertung des Oberlandesgerichtes bisher nur eine Art "Vorprüfung" in einem Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren ist. In dem in diesem Fall nunmehr nachfolgenden Klageverfahren vor dem Landgericht ist noch über die von dem Kläger dargelegten Behauptungen konkret Beweis zu erheben. Dann ist abzuwarten, mit welchem letztendlichen Ergebnis das Landgericht die dann gewonnenen Beweise würdigt und ob die nach dem Oberlandesgericht zumindest festgestellte Möglichkeit der Haftung der Fa. Xella International GmbH mittels Urteil als tatsächlich bestehend festgestellt wird.

Ansprüche der Geschädigten bis heute grundsätzlich nicht verjährt

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ferner folgender Umstand, der aller Voraussicht nach in der Öffentlichkeit vielfach unbekannt ist. Es ist rechtlich vertretbar, dass auch für die Geschädigten, die erst vor Kurzem Schäden (z. B. gerissene und feuchte Kalksandsteine) in ihrem Objekt durch die dort verbauten "Bröselsteine" feststellen mussten, ein dann gegen die Fa. Xella International GmbH gerichteter Schadensersatzanspruch jetzt noch möglich ist. Dieser Anspruch ist grundsätzlich bis heute nicht verjährt, selbst wenn diese Geschädigten bisher keine Klage oder sonstige verjährungshemmende Maßnahme in der Sache eingeleitet haben.

Zum einen hat die Fa. Xella International GmbH noch zum Ende des Jahres 2011 die damals in der Öffentlichkeit aufkommende Ansicht, dass mögliche Ansprüche gegen die Fa. Xella International GmbH mit Ablauf des 31.12.2011 verjähren würden, selbst als unzutreffend bezeichnet. In zahlreichen zum Ende des Jahres 2011 von der Fa. Xella International GmbH gegenüber Anspruchsstellern abgegebenen Erklärungen hat die Fa. Xella International GmbH systematisch mitgeteilt: "Sollten entgegen unserer Auffassung Ansprüche bestehen, so droht in der Regel am 31.12.2011 keine Verjährung. Die Berichterstattung in den Medien, dass Ansprüche generell zu diesem Zeitpunkt verjähren, ist unzutreffend."

Zum anderen ist rechtlich vertretbar, dass nicht einmal bis heute zu Lasten der Geschädigten, die jetzt oder erst vor Kurzem Schäden an ihrem Objekt durch die dort verbauten "Bröselsteine" feststellen mussten, die vielfach im Jahre 2011 für einschlägig erachtete 10-jährige Verjährungsfrist des § 199 III Nr. 1 BGB abgelaufen ist. Laut § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung der 10-jährigen Verjährungsfrist nämlich erst mit der "Entstehung" des Schadensersatzanspruches. Diese Anspruchsentstehung ist wiederum erst dann gegeben, wenn der Schaden bzw. eine konkrete Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist. Das Setzen nur der Schadensursache oder das Entstehen nur einer risikobehafteten Situation genügt nicht.
Insoweit hat Fa. Xella International GmbH selbst in vielfachen Einlassungen in gerichtlichen und außergerichtlichen Fällen sowie die der Fa. Xella International GmbH nahe stehende Sachverständigen behauptet, dass der "Bröselstein" als Kalksandstein mit einem produktionsbedingten erhöhten SO3-Gehalt nicht schadhaft ist, so lange nicht über einen längeren Zeitraum eine bestimmte erhebliche Intensität von Feuchtigkeit auf diesen eingewirkt hat. Demnach ist selbst nach Behauptung der Fa. Xella International GmbH z. B. das Verbauen des KS-Steines in das jeweilige Objekt mit der negativen produktionsbedingten Zusammensetzung nicht bereits der für den Beginn der Verjährung erforderliche eingetretene Schaden bzw. eine konkrete Verschlechterung der Vermögenslage. Nur der letztendlich spätere mit sichtbaren Rissen einhergehende Verlust der Druckfestigkeit des Steins in Folge von länger andauernder Feuchtigkeitseinwirkung ist dann erst der Eintritt des Schadens, ab dem dann erst die 10-jährige Verjährung nach § 199 III Nr. 1 BGB läuft.

Selbst das für den Beginn der Verjährung nicht ausreichende Setzen einer Schadensursache für den dann zeitlich später entstehenden Schaden soll nach dem von der Fa. Xella International GmbH vielfach bemühten Bericht der Fa. Xella Technologie- und Forschungsgesellschaft "Statische Probleme sind nicht zu erwarten" im Deutsches Ingenieurblatt vom März 2012 erst die Reaktion des in den Kalksandsteinen entstandenen Anhydrits zu Gips sein, wozu erst ein langzeitiger Kontakt des Kalksandsteines mit Wasser stattfinden muss.

Demzufolge bis vertretbar, dass mögliche Ansprüche der Geschädigten gegenüber der Fa. Xella International GmbH mit der 10-jährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB erst zu verjähren beginnen, wenn der Schaden, mithin Risse in den "Bröselsteinen" als Erscheinungsbild des Verlustes der Standfestigkeit des Kalksandsteins entstehen.

Insoweit müssen jedoch die Geschädigten darauf achten, dass ab dem Zeitpunkt, ab welchem deren Schadensersatzanspruch entstanden ist und die Geschädigten von den anspruchsbegründenden Umständen und der Fa. Xella International GmbH als möglichen Schuldner ihrer Ansprüche Kenntnis erlangt haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssten, die dann einschlägige kurze 3-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB läuft.

Erhebung der Verjährungseinrede unzulässig

Überdies ist sogar zu Lasten der Fa. Xella International GmbH vertretbar, dass selbst bei hier einmal theoretisch angenommener bereits eingetretener Verjährung möglicher Ansprüche der Geschädigten es eine unzulässige Rechtsausübung der Fa. Xella International GmbH sein könnte, wenn die Fa. Xella International GmbH diesbezüglich die Verjährungseinrede erheben würde.

Denn Treu und Glauben nach § 242 BGB stehen der Erhebung der Verjährungseinrede entgegen, wenn der Schuldner den Berechtigten von der rechtzeitigen Geltendmachung seines Anspruches abgehalten oder ihn zu der Annahme veranlasst hat, er werde ihn ohne Rechtsstreit vollständig befriedigen. In diesem Sinne hat die Fa. Xella International GmbH zum Ende des Jahres 2011 auch mit deren Presse-Information vom 08.12.2011 und mit deren damals großformatig in den Tageszeitungen geschalteten Schaubild gehandelt. In diesen bekundet die Fa. Xella International GmbH vollmundig: ". Aus dem Umstand, dass ein potenziell Geschädigter seine Ansprüche nicht bis zum 31.12.2011 gerichtlich geltend gemacht hat, entsteht kein Nachteil in der Schadensregulierung. ." Mit diesem Satz hat die Fa. Xella International GmbH medienwirksam die Geschädigten von der gerichtlichen und damit verjährungshemmenden Geltendmachung ihrer Ansprüche abhalten wollen und diese zu der Annahme veranlasst, die Fa. Xella International GmbH werde die Geschädigten ohne Rechtsstreit befriedigen.

Bis heute hat die Fa. Xella International GmbH als mögliche Anspruchsschuldnerin deren vorstehende allumfassende Erklärung zu Gunsten der Geschädigten als Anspruchsgläubiger wegen der "Bröselsteine" und der dadurch erlittenen Schäden auch nicht zurückgenommen. Bis heute vertrauen die Geschädigten auf diese Erklärung der Fa. Xella International GmbH. Dass hingegen im Rahmen einer Bilanzpressekonferenz der Holding Franz Haniel & Cie. GmbH deren Vorstandsvorsitzende Herr Gemkow am 08.04.2013 nur für die Holding Franz Haniel & Cie. GmbH unter anderem mitgeteilt hat, dass für die von der Holding Franz Haniel & Cie. GmbH geleisteten Zahlungen für Opfer des "Bröselstein-Skandals" ein Moratorium (= Einstellung von Zahlungen) mit damaliger sofortiger Wirkung beginne, betraf ausschließlich diese Holding Franz Haniel & Cie. GmbH und erfolgte auch nicht namens der Fa. Xella International GmbH. Diese Erklärung bezog sich erkennbar lediglich auf das sog. Innenverhältnis zwischen der Holding Franz Haniel & Cie. GmbH und der Fa. Xella International GmbH, ausweislich dessen die Holding Franz Haniel & Cie. sich in der Vergangenheit vertraglich verpflichtet hatte, die Fa. Xella International GmbH von Ansprüchen Dritter wegen der "Bröselsteine" frei zu stellen.

Dass die Erhebung der Verjährungseinrede der Fa. Xella International GmbH im Falle ihrer Inanspruchnahme wegen der "Bröselsteine" eine unzulässige Rechtsausübung ist, ist unter Umständen auch aufgrund eines weiteren Umstandes vertretbar. Insoweit gilt, dass wenn ein Schuldner die Verjährung durch eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung mit verursacht, er dann die Forderung als unverjährt gegen sich gelten lassen muss. Bereits das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in seinem Beschluss festgestellt, dass es möglich ist, dass die Rechtsvorgängerin der Fa. Xella International GmbH eine Schädigung der Häuser durch den dortigen Verbau der "Bröselsteine" im Sinne des § 826 BGB billigend in Kauf genommen hat. Sollte sich dieser Vorwurf in einer gerichtlichen Beweisaufnahme und durch Urteil bestätigen, dann hätte zumindest die Rechtsvorgängerin der Fa. Xella International GmbH diese begangene vorsätzliche sittenwidrige Schädigung über Jahrzehnte hinweg bewusst nicht nach außen bekannt gemacht hat und die Geschädigten bzw. potentiell Geschädigten bewusst nicht davor gewarnt. Insoweit ist vertretbar, dass dieses Unterlassen als eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung gewertet wird, aufgrund derer über Jahre hinweg Geschädigte nicht wussten, dass diese unter Umständen Ansprüche gegenüber der Rechtsvorgängerin der Fa. Xella International GmbH bzw. später gegenüber der Fa. Xella International GmbH haben. Damit hätte zumindest die Rechtsvorgängerin der Fa. Xella International GmbH bewusst auf Zeit gespielt, dass möglich Ansprüche der Geschädigten durch Zeitablauf verjähren.

Das Vorstehende zum Thema Verjährung zeigt, dass sich die Fa. Xella International GmbH nicht sicher sein kann, dass mit Ablauf des 31.12.2011 alle die Geschädigten leer ausgehen, die erst vor kurzem oder auch erst in baldiger Zukunft Schäden an deren Objekt aufgrund der "Bröselsteine" feststellen und erst jetzt Schadensersatz von der Fa. Xella International GmbH verlangen, nötigenfalls durch gerichtliche Schritte.

Wir vorstehend dargelegt, handelt es sich um vertretbare Ansichten zu der Thematik Verjährung möglicher Ansprüche. Die Fa. Xella International GmbH wiederum behauptet in gerichtlichen Verfahren das Gegenteil und geht hingegen von einer grundsätzlichen Verjährung möglicher Ansprüche bereits mit Ablauf des 31.12.201 aus. Da auch nach unserem Kenntnisstand bisher kein Zivilgericht darüber rechtskräftig entschieden hat, wann nunmehr solche Ansprüche verjähren, besteht betreffend der Thematik Verjährung bisher eine Unsicherheit.           

Wir weisen abschließend an dieser Stelle darauf hin, dass wir umfassend Immobilieneigentümer, in deren Haus sog. "Bröselsteine" verbaut worden sind, bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber der Fa. Xella International GmbH sowie gegenüber der Fa. Haniel Immobilien GmbH & Co. KG betreffend des von dort den Geschädigten angebotenen Kulanzangebot (sog. "Instandsetzungsvertrag") vertreten. Näheres hierzu können Sie bei uns unter "Rechtsgebiete" bei "Vertretung von Bröselsteinopfern" nachlesen.  

Ferner können Sie auf unserer Homepage unter "Aktuelles" noch weitergehende Informationen zu dem Bröselsteinskandal nachlesen.