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Aktuelle wichtige Rechtsprechung - Komplettheitsklausel bei Vertragsverhandlung nicht akzeptieren!

Aktuelle wichtige Rechtsprechung - Komplettheitsklausel bei Vertragsverhandlungen nicht akzeptieren!

Zu Beginn diesen Jahres wurde ein viel beachtetes und bereits stark kritisiertes Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.05.2014 – 23 U 162/13 (IBR 2015, 3) publiziert.

1. Ständige Rechtsprechung:

Es ist bekanntlich ständige Rechtsprechung, dass wenn durch eine auftraggeberseits in dem Bauvertrag vorformulierte und von diesem einseitig gestellte Komplettheitsklausel eine von dem typischen Leitbild des Vertrages als Einheitspreis- oder Detailpauschalpreisvertrag abweichende Kostenverlagerung zu Lasten des Auftragnehmers erreicht werden soll, es sich dann um eine AGB-rechtlich kontrollfähige Preisnebenabrede handelt. Da die für den Auftragnehmer in der einer dem Vertrag übergestülpten Komplettheitsklausel liegende Risikoübernahme Verzichtscharakter besitzt, sind solche Komplettheitsklauseln nach ständiger Rechtsprechung des BGH im Wege einer Allgemeinen Geschäftsbedingung nicht möglich, sondern nur im Wege einer Individualvereinbarung, welche de facto für den Auftraggeber kaum zu erreichen ist.

Denn das typische Leitbild eines Bauvertrages wird maßgeblich durch die Art und Weise der Leistungsbeschreibung bestimmt. Wenn der Auftraggeber eine Leistung in einem Leistungsverzeichnis und/oder Plänen detailliert beschreibt, erweckt dieser bei seinem Auftragnehmer die berechtigte Erwartung, grundsätzlich für den/die vereinbarten Preis(e) nur dasjenige leisten zu müssen, was auch detailliert beschrieben ist. Wenn der Auftraggeber diesen Eindruck vermeiden will, darf er die Leistung eben nicht detailliert beschreiben und muss sich innerhalb der Leistungsbeschreibung für eine andere Vertragstypik entscheiden.

Nach dieser Rechtsprechung kann daher der Auftragnehmer bei Vertragsverhandlungen eines Einheitspreis- oder Detailpauschalpreisvertrages die ihm gestellte Komplettheitsklausel „schlucken“ und kann sich später im Bedarfsfall bei Durchsetzung seines Nachtragsanspruches auf dessen Unwirksamkeit berufen.

2. OLG Düsseldorf:

Dies sieht das OLG Düsseldorf anders.

In dem entschiedenen Fall des OLG regelt der Bauvertrag auf Einheitspreisbasis in einer darin enthaltenen Komplettheitsklausel, "dass die Vertragsleistung alle Leistungen und Lieferungen umfasst, die erforderlich sind, um das vorgenannte Gewerk funktionsfähig herzustellen". Weiter heißt es im Vertrag, "dass Unvollständigkeiten, Unklarheiten und Widersprüche dahin aufzulösen sind, dass eine den übrigen Vorschriften dieses Vertrages entsprechende funktionsfähige Leistung geschuldet wird".

In dem Fall behauptet der Auftragnehmer nachtragsvergütungsfähige Ergänzungsleistungen, bei denen das "Bau-Ist" vom "Bau-Soll" nicht gedeckt gewesen sei.

Das OLG verneint einen solchen Zahlungsanspruch des Auftragnehmers! Das OLG ist der Ansicht, auch wenn die Leistung detailliert mit einem Leistungsverzeichnis beschrieben ist, kann der Leistungsumfang durch eine von dem Auftraggeber in dem Vertrag gestellte sog. Schlüsselfertigkeits-, Komplettheits- oder Vollständigkeitsklausel auf die Ausführung notwendiger, aber im Bauvertrag nicht ausdrücklich aufgeführter Leistungen erweitert werden. Eine solche Klausel sei auch dann nicht unwirksam, wenn es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung des Auftraggebers handelt. Der Auftragnehmer schuldet demnach laut dem OLG aufgrund des Vertrags nicht nur die in dem Leistungsverzeichnis aufgeführten Leistungen zu dem Vertragspreis, sondern alle zur mangelfreien Errichtung erforderlichen Leistungen. Soweit also nicht gestalterische oder sonstige Änderungen des Leistungsziels beauftragt worden seien, könne der Auftragnehmer keine zusätzliche Vergütung beanspruchen 3.

Fazit:

Für die Praxis ist daher Auftragnehmern zu empfehlen, derartige Schlüsselfertigkeits-, Komplettheits- oder Vollständigkeitsklauseln bei Vertragsverhandlungen nicht hinzunehmen. Auf eine (etwaige) AGB-rechtliche Unwirksamkeit darf der Auftragnehmer nicht vertrauen. Juristisch hängt die Entscheidung in solchen Fällen immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Dieses Risiko sollte der Auftragnehmer nicht durch „Schlucken“ einer solchen ihm in dem Vertrag gestellten Klausel eingehen.

Abschließend sei angemerkt, dass die Kritik an dem Urteil des OLG Düsseldorf in der Fachliteratur massiv ist („Das OLG Düsseldorf galt einmal als führend in der Rechtsprechung zum privaten Baurecht. Die Entscheidung zeigt, dass ein solcher Ruf durch derartige Fehlentscheidungen auch verlorengehen kann“). Dies hilft jedoch für die Baupraxis und die Bauunternehmen wenig.