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Entsorgung von Abbruchmaterial nicht wörtlich erwähnt und trotzdem einzukalkulieren!

Entsorgung von Abbruchmaterial nicht wörtlich erwähnt und trotzdem einzukalkulieren

(15.03.2016) Auch wenn eine Position des Leistungsverzeichnisses die Entsorgung von abzubrechendem Material nicht wörtlich erwähnt, kann laut dem OLG Brandenburg (Urteil vom 02.03.2016 - 4 U 65/15) sie bei einer Gesamtbetrachtung aller Vertragsbestandteile dahingehend zu verstehen sein, dass der Aufwand für die Entsorgung des Abbruchs in den für diese Position anzubietenden und später vereinbarten Einheitspreis einzukalkulieren ist.

Dem Urteil lag folgender Fall zu Grunde:

Der Auftragnehmer (AN) wird mit dem Komplettabbruch einer Schule beauftragt. Nach Position 4.1 des Leistungsverzeichnisses (LV) sind 12.900 qm Gebäude abzubrechen und das abgebrochene Material nach den Anforderungen der Recyclingdeponie zu zerkleinern und zu sortieren. Im Titel 5 "Materialentsorgung" findet sich drei Positionen zur Bauschuttentsorgung. Position 5.2 lautet: "5,00 t Bauschutt, vorsortiert, nicht kontaminiert auf den Recyclingplatz anliefern und fachgerecht entsorgen / lagern". Der AN setzt hierfür einen Preis von 16 Euro/t an. Nach Ausführung der Arbeiten macht er für die Entsorgung von 5.959 t nicht kontaminiertem Abbruchmaterial 95.344 Euro geltend, die der Auftraggeber (AG) nicht bezahlt. Der AN erhebt Klage, der das Landgericht mit der Begründung stattgibt, der AN könne als Mengenmehrung aus Position 5.2 Bezahlung der geforderten Vergütung gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B verlangen. Der AG geht in Berufung.

Mit Erfolg! Der AN musste die Leistungsbeschreibung dahin verstehen, dass das Gebäude nach Entkernung und Entfernung sowie Entsorgung seiner Ausstattungsmerkmale nicht nur abgebrochen und der Bruch vorsortiert werden musste, sondern zugleich aus der Position 4.1 des LV heraus der vorsortierte Bruch auch zu entsorgen war. Zwar wird in Position 4.1 die Entsorgung nicht wörtlich erwähnt. In den weiteren Abbruchpositionen des 4. Titels hingegen sind durchgängig Begriffe wie "entsorgen" bzw. "Entsorgung" oder inhaltlich vergleichbare enthalten. Auch ist der Detailteil des Lang-LV erkennbar von dem Bemühen geprägt, die jeweiligen Leistungen in den jeweiligen Positionen im Fließtext jeweils möglichst umfassend und abschließend zu beschreiben. Vor diesem Hintergrund konnte der AN die Angaben im Text des LV zur Position 5.2 nicht dahin verstehen, dass davon auch die Entsorgung des Betonbruchs aus Position 4.1 umfasst sein sollte. Hiergegen spricht schon die in der Beschreibung dieser Position angegebene Referenzmenge von fünf Tonnen. Denn die aus 4.1 zu entsorgende Menge an Bauschutt war ihrer konkreten Größenordnung nach fraglos bereits bei der Aufstellung des Leistungsverzeichnisses in der Einheit "t" abschätzbar und bezifferbar. Dessen Volumen hätte aber - wie jedem Fachunternehmen unmittelbar ins Auge springen musste - ein Zigfaches der in Position 5.2 angegebenen Menge betragen. Die drei Positionen des 5. Titels des LV konnten demnach vielmehr nur als Reservepositionen für die Entsorgung von zu entfernenden Materialien verstanden werden, die keiner anderen Leistungsposition der anderen Titel konkret zuordenbar waren.

Das OLG hat die an den AN in der Kalkulationsphase zu stellenden Anforderungen möglicherweise überspannt. Der Inhalt des LV stellt sich in diesem, dem AN nur begrenzt zur Verfügung stehenden Zeitraum möglicherweise anders dar, als nach einem jahrelangen Rechtsstreit. Deshalb muss der AN das LV auch nur unter kalkulatorischen Gesichtspunkten bearbeiten (OLG Koblenz, IBR 2010, 313). Dafür, dass der AN "richtig" kalkuliert hat bzw. kalkulieren wollte, spricht hier, dass ein Einheitspreis von 16 Euro für die Entsorgung von einer Tonne Abbruchmaterial weder überteuert noch spekulativ erscheint.