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Mängelbeseitigung verzögert: Kein Abzug "neu für alt"!

Mängelbeseitigung verzögert: Kein Abzug "neu für alt"!

(30.06.2018) Lässt der Auftraggeber die Mängel am Bauwerk tatsächlich und vollständig beseitigen, kann er den Schaden nicht mehr fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens, sondern nur nach dem tatsächlich angefallenen Kostenaufwand abrechnen. Eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs unter dem Gesichtspunkt eines Abzugs "neu für alt" kommt nicht in Betracht, wenn diese Vorteile ausschließlich auf einer Verzögerung der Mängelbeseitigung beruhen und sich der Auftraggeber jahrelang mit einem fehlerhaften Werk begnügen musste, so das OLG Celle in seinem Urteil vom 01.02.2018 - 16 U 73/17 BGB.

Der Auftragnehmer (AN) führt Dacheindeckungsarbeiten mangelhaft aus. In einem Vorprozess wird der AN deswegen rechtskräftig dem Grunde nach zum Schadensersatz verurteilt. Jetzt streiten die Parteien über die Höhe des Ersatzanspruchs. Der Auftraggeber (AG) fordert auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens rund 600.000 Euro. Dem hält der AN entgegen, dass eine Teilfläche des Daches saniert wurde und der AG insoweit nicht mehr auf Gutachtenbasis abrechnen darf. Ferner meint der AN, dass sich der AG einen Abzug "neu für alt" anrechnen lassen muss, weil zwischen der Fertigstellung und der Teilsanierung mehr als 10 Jahre lagen. 

Beide Parteien verbuchen nur einen Teilerfolg! In der Frage, ob der AG seinen Schadensersatzanspruch noch auf Gutachtenbasis abrechnen kann, nachdem die Mängel beseitigt wurden, schließt sich das OLG Hamm der Entscheidung des OLG Köln vom 22.04.2015 (11 U 94/14, IBRRS 2015, 1009) an. Danach kann ein Schadensersatzanspruch nicht mehr auf Gutachtenbasis berechnet werden, wenn die Mängel beseitigt wurden. Nach einer Mängelbeseitigung kann der AG nur den tatsächlichen Kostenaufwand fordern. In der Frage, ob dem AN ein Abzug "neu für alt" zugutekommt, obsiegt hingegen der AG. Ein Abzug "neu für alt" kommt nicht in Betracht, wenn der AN - wie hier - die Mängelbeseitigung verzögert und sich der AG deshalb mit einem fehlerhaften Werk begnügen musste. 

Der erste Leitsatz betrifft eine Frage, die der BGH in seinem aktuellen Grundsatzurteil zur Schadensberechnung im Werkvertragsrecht (IBR 2018, 196; IBR 2018, 197) nicht direkt beantwortet. Mit dem Grundgedanken dieses Urteils, wonach ein Ersatz fiktiver Kosten für nicht getroffene Dispositionen ausscheidet (BGH, a.a.O. Tz. 36), wäre ein anderes Resultat indes schwer zu vereinbaren. Soweit Werkmängel beseitigt wurden, kann der Besteller allein Erstattung der Mängelbeseitigungskosten beanspruchen, die er bei verständiger Würdigung für erforderlich halten durfte (BGH, a.a.O. Tz. 46). Eine Ausnahme wird man nach BGH aber wohl zulassen müssen. Wenn der Besteller (durch Gutachten!) nachweist, dass die tatsächlichen Mängelbeseitigungskosten geringer waren als nach Marktpreisen objektiv erforderlich, wird der Besteller die Differenz zusätzlich abrechnen dürfen. Denn solche Vorteile dürfen dem Ersatzpflichtigen nicht zugutekommen (BGH, a.a.O. Tz. 29). Der zweite Leitsatz der Entscheidung entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. OLG Dresden, IBR 2017, 629; IBR 2015, 479). Auch dieser Grundsatz kennt freilich Ausnahmen. Ein Abzug "neu für alt" kommt in Betracht, wenn sich ein Mangel verhältnismäßig spät auf ein Bauwerk auswirkt und der Auftraggeber bis dahin keine Gebrauchsnachteile hinnehmen musste (BGH, IBR 2002, 466; OLG Naumburg, IBR 2015, 253).